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80 – und noch voll im Einsatz

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Heute feiern wir in Fushë-Arrëz zusammen mit Schwester Gratias ihren 80 Geburtstag. Zu diesem Anlass hat Bruder Andreas einen Artikel geschrieben, den ich auch gerne hier im Blog teile:

Schwester Gratias Ruf aus Mindelheim im Bistum Augsburg, wird am 1. März 2021 achtzig Jahre alt. Seit mehr als 25 Jahren lebt und wirkt die Franziskanerin in Fushë-Arrëz, in den Bergen Albaniens, als Missionarin. Und das unermüdlich bis heute.

Tagtäglich kümmert sie sich um alle Belange der Missionsstation. Sie besucht regelmäßig die Kinder unserer Kindertagesstätte und berät die Erzieherinnen; sie regelt in der Küche die Dienste der beiden Köchinnen; sie schaut in der Nähschule und im Stall nach dem Rechten; sie hat ein offenes Ohr für die vielen Nöte der Leute; sie organisiert im Büro Hilfen für Menschen in ganz verschiedenen Notlagen; sie kümmert sich um die Hilfstransporte aus Deutschland und Österreich; sie packt Familienpakete im großen Magazin zusammen mit ihren Helferinnen; sie schafft den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Arbeit an; und, und, und … .

Schwester Gratias hält den Laden hier am Laufen. Und das alles mit großer Freundlichkeit, umsichtiger Beständigkeit, gelebter Treue zum Alltag, großer Gastfreundschaft und mit Blick auf das Wesentliche.

Morgens früh ist sie die erste in der Kapelle, besorgt die Sakristei in den vier Pfarrkirchen, geht mit in die umliegenden Dörfer zum Gottesdienst und nimmt es gelegentlich auch in Kauf, ausgerüstet mit dem Schlafsack, außerhalb der eigenen vier Wände zu schlafen. Zweimal in der Woche leitet sie unseren Kinder- und Jugendchor und unterstützt den Kirchengesang mit ihrem Orgelspiel. Bis vor einem Jahr hat sie auch noch regelmäßig Katechesen gehalten. Das macht sie jetzt noch, wenn Not am Mann ist.

Schwester Gratias wuchs in einer engagierten katholischen Familie mit noch sieben Geschwistern auf. Der regelmäßige Gottesdienstbesuch, das Gebet Zuhause und das christlich geprägte Klima in ihrer Familie ließ in ihr den Wunsch wachsen, Ordensfrau zu werden. Sie wurde mit 21 Jahren Franziskanerin, arbeitete in verschiedenen Bereichen ihrer Gemeinschaft, zuletzt als verantwortliche Röntgenschwester im Krankenhaus in Dillingen.

Angesprochen von einem Artikel über die Öffnung Albaniens nach der dunklen Zeit des rigiden Kommunismus, spürte sie den Ruf Gottes, nach Albanien zu gehen. Zusammen mit zwei Mitschwestern begann sie ihren Einsatz 1994 zunächst in Kallmet, dann ein Jahr später mit einer der beiden Schwestern in Fushë-Arrëz, einer armen Arbeiterstadt in den Bergen, die 1953 entstand und die ohne Gott und Kirche geplant war. Die Menschen fanden hier Arbeit in den Kupferminen, in den Sägewerken und einem großen LKW-Reparaturbetrieb.

Vieles hat sich hier seitdem verändert, sehr viele Familien sind in den letzten Jahren aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit weggezogen. Die Armut ist geblieben.

Die erste Zeit in Fushë-Arrëz lebten die Schwestern in einem Hotel und waren mit dem Aufbau der Missionsstation beschäftigt. Gruppen aus Italien halfen tatkräftig dabei mit. Zugleich sammelten die Schwestern die Kinder und Jugendlichen um sich, sangen und beteten mit ihnen, hielten Religionsunterricht und sorgten so für den Aufbau von Kirche aus lebendigen Menschen.

Immer wieder haben die Schwestern auf die vielfältigen Nöte der Menschen reagiert: so entstanden der Kindergarten mit aktuell 55 Kindern, die Ambulanz, die sozialen Hilfen für arme Familien, die mit Bekleidung und Lebensmitteln versorgt werden, die Hausbauprojekte, die zahlreichen Ausbildungshilfen für Schüler und Studenten und Existenzhilfen in persönlichen Notsituationen.

Ein großes Netzwerk von Unterstützern und Förderern der Albanien-Mission in Deutschland und Österreich machte das erst möglich. Schwester Gratias hält regen Kontakt zu unseren Freunden.

Eine große Herausforderung wurde dann der Bau der großen Pfarrkirche St. Josef in Fushë-Arrëz, die mit ihren beiden, schmalen Türmen die schäbigen, grauen Wohnblöcke überragt. Dabei war Schwester Gratias die treibende Kraft und der eigentliche Motor. 2005 konnte die Kirche nach mehrjähriger Bauzeit feierlich eingeweiht werden.

Ebenso ließen sich die Schwestern von der Not der Flüchtlinge des Kosovo-Krieges 1999 berühren. Jeden Tag wurden Hunderte von Broten an die Grenze gefahren und so notleidende Familien unterstützt.

Und so ist das bis heute. Wo Not ist – bei den Überschwemmungen in Shkodër, beim Brand eines Hauses, beim starken Erdbeben 2019, bei schweren Erkrankungen von Kindern, beim Fehlen von Medikamenten … – Schwester Gratias in den Bergen ist eine gute Adresse, sie hilft, wo es möglich ist.

Wegen Corona wird es am 1. März wohl nur eine kleine Geburtstagsfeier geben. Umso größer ist unser Dank an Schwester Gratias für ihren täglichen Dienst, den sie aus der Kraft ihres Glaubens leistet. Wir und sehr viele Menschen aus Fushë-Arrëz und den Dörfern unserer Bergregion sind sehr froh, dass wir sie haben.

Br. Andreas Waltermann
Kapuziner und Pfarrseelsorger in Fushë-Arrëz

Schwester Gratias Ruf

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